Aufrechnung im Insolvenzverfahren - Änderung der Rechtsprechung (BFH)

Das Finanzamt kann eine vorinsolvenzliche Steuerforderung nicht gegen einen aus der Honorarzahlung an einen vorläufigen Insolvenzverwalter resultierenden Vorsteuervergütungsanspruch des Insolvenzschuldners aufrechnen.

Hintergrund

Über das Vermögen der A-GmbH war am 16.12.2002 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. B wurde zum Insolvenzverwalter bestellt. Für seine seit dem 11. 11. 2002 ausgeübte Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter setzte das Amtsgericht im Jahr 2003 eine Vergütung fest. Den darin enthaltenen Umsatzsteuerbetrag hat B für die A-GmbH als Vorsteuer in der USt-Voranmeldung 2005/I angemeldet. Das FA hat den Vorsteuerbetrag mit vorinsolvenzlichen Steuerforderungen gegen die A-GmbH (Umsatzsteuer 2001 sowie Juli bis September 2002) verrechnet. Das FA erließ hierzu einen entsprechenden Abrechnungsbescheid.

Das FG hat die Aufrechnung für zulässig erachtet. Aufrechnungsbeschränkungen i.S. des § 96 Abs. 1 Nr. 1 und Nr.3 InsO hätten nicht vorgelegen.

Entscheidung des BFH

Diese Ansicht teilt der BFH nicht. Er kommt zu dem Ergebnis, dass der vom FA erklärten Aufrechnung die Vorschrift des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO entgegensteht. Nach dieser Vorschrift ist eine Aufrechnung unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine „anfechtbare Rechtshandlung“ erlangt hat.

Im Streitfall ist das FA Insolvenzgläubiger; denn es hat gegen die Schuldnerin (A-GmbH) vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründete (Steuer-)Forderungen, die nicht beglichen worden sind (vgl. § 38 InsO).

Nach bisheriger Rechtsprechung des BFH (Urteil v. 16.11.2004 VII R 75/03, BStBl II 2006, 193) konnte das FA gegen den aus dem Vergütungsanspruch des vorläufigen Insolvenzverwalters herrührenden Vorsteueranspruch des Insolvenzschuldners aufrechnen. Dabei ging der BFH davon aus, dass die für das FA durch den Vorsteueranspruch des Schuldners entstandene Aufrechnungslage nicht auf einer nach der InsO anfechtbaren Rechtshandlung beruht.

Diese Rechtsprechung hat der BFH nunmehr geändert. Er kommt – im Anschluss an ein Urteil des BGH (BGH, Urteil v. 22.10.2009 IX ZR 147/06, HFR 2010, 413) - zu dem Ergebnis, dass die Leistungserbringung – nämlich die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeübte Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter – als eine i.S. des § 129 InsO vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommene „Rechtshandlung“ anzusehen ist, durch die eine die Insolvenzgläubiger benachteiligende Aufrechnungsmöglichkeit für das FA geschaffen wurde. Damit seien die Voraussetzungen des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO erfüllt; nach dieser Vorschrift ist die Aufrechnung unzulässig, „wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat“.

 

Quelle

BFH, Urteil v. 2.11.2010, VII R 6/10, veröffentlicht am 19.1.2011
Haufe-Steuern, BFH-Urteilsservice

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