Verlustnutzung trotz Gesellschafterwechsel versus Mantelkauf

Verluste aus den vergangenen Jahren dürfen beim Gesellschafterwechsel von Körperschaften mit etwaigen Gewinnen des Anteilserwerbers verrechnet werden. Dieser Auffassung ist das FG Hamburg und hat damit den Stein des Anstoßes um den berühmten § 8c KStG ins Rollen gebracht.

Als § 8c KStG im Rahmen des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 (Art. 2 Nr. 7) eingeführt wurde, war er in aller Munde und fand wenig Akzeptanz. Kein Wunder, denn wie sich nun – nach über drei Jahren – herausstellt, soll er gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG) im Grundgesetz verstoßen und damit verfassungswidrig sein. Dieser Meinung ist zumindest der 2. Senat des Finanzgerichts Hamburg und hat den Fall dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt.

Der § 8c KStG und seine Hintergründe

Überträgt ein Gesellschafter einer Körperschaft einem neuen Gesellschafter mehr als 25 Prozent bzw. mehr als 50 Prozent seiner Anteile, gehen die bis zur Übertragung angesammelten und nicht genutzten Verluste laut § 8c KStG generell verloren; allenfalls ist ein Verlustabzug dann noch in Höhe der von den Altgesellschaftern gehaltenen Beteiligungsquote möglich. Das bedeutet: Weder der alte noch der neue Anteilsinhaber kann im Jahr der Anteilsübertragung und danach die bis dahin noch ungenutzten angesammelten Verluste mit etwaigen Gewinnen verrechnen. Diese Regelung hat der Gesetzgeber aus Furcht vor einem missbräuchlichen Handel mit Verlusten (Mantelkauf) ins Leben gerufen. Er war der Ansicht, dass es Steuerpflichtige nur noch darauf absehen würden, Körperschaftsanteile mit Verlustvorträgen zu erwerben, um diese mit den eigenen Gewinnen zu verrechnen und damit insgesamt eine Steuerminderung zu erzielen. Außerdem – so die Finanzverwaltung – seien laufende Gewinne, die eine Körperschaft bei einem unterjährig stattfindenden Beteiligungserwerb erwirtschaftet, bereits dem neuen Engagement zuzurechnen; Verluste hingegen dem alten Engagement.

Gute Nachrichten aus den Finanzgerichten

Kaum zu glauben, aber wahr: Seit dem 24.5.2011 liegt die schriftliche Fassung eines umfangreichen Beschlusses des Finanzgericht Hamburg vor, in dem sein 2. Senat darlegt, weshalb er die Vorschrift des § 8c Körperschaftsteuergesetz (KStG) für verfassungswidrig hält.

In dem zu entscheidenden Musterfall machte die klagende GmbH bereits in den ersten beiden Jahren einen Verlust. Dieser Verlust wäre mit dem erwirtschafteten Gewinn im dritten Jahr verrechnet worden, wenn nicht einer der beiden Gesellschafter aus einer finanziellen Notlage heraus in jenem Jahr ausgestiegen wäre. So gingen die auf seinen Anteil (48 Prozent) entfallenden Verluste nach § 8c KStG verloren, und es flatterten nach und nach hohe Steuerbescheide ins Haus. Hätte kein Gesellschafterwechsel stattgefunden, hätte der ursprüngliche Gesellschafter die späteren Gewinne mit den anfänglichen Verlusten verrechnen dürfen. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz? – Der 2. Senat des Finanzgerichts Hamburg sagt ja. Die Verlustverrechnung dürfe im Falle eines Gesellschafterwechsels nicht versagt werden, andernfalls handele es sich um einen Verstoß gegen den im Grundgesetz verankerten Gleichheitssatz (Art. 3 GG) und das in ihm begründete Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.

Übrigens: Das Finanzgericht Münster (30.11.2010, Az.: 9 K 1842/10K) und das Hessische Finanzgericht (7.10.2010, Az.: 4 V 1489/10) haben bereits im April zu der Frage, wie Gewinne und Verluste bei einem unterjährigen Gesellschafterwechsel zu behandeln sind, bemerkenswerte Entscheidungen getroffen. So sind nach Auffassung dieser Gerichte Gewinne, die eine Körperschaft bei einem unterjährig stattfindenden Beteiligungserwerb erwirtschaftet, eben nicht bereits dem neuen Engagement zuzurechnen. Denn: Nach dem Sinn und Zweck der Regelung ändere sich die wirtschaftliche Identität einer Gesellschaft durch das wirtschaftliche Engagement eines anderen Anteilseigners. Dies gelte auch für Verluste. Im Klartext: Verluste gehen grundsätzlich nicht auf den neuen Anteilseigner über. Anders verhält es sich jedoch beim Altgesellschafter: Dieser dürfe nach Auffassung der Gerichte seine ungenutzten Verluste noch mit seinen etwaigen Gewinnen verrechnen. Gegen das Urteil des FG Münster ist bereits die Revision beim BFH anhängig (Az. I R 14/11). Offen ist daher noch, ob der BFH seine Grundsätze, die er für ähnlich gelagerter Fälle in einer gewerblichen Personengesellschaft (22.1.2009, Az.: IV R 90/05, DB0322304) aufgestellt hat, auf Körperschaften übertragen wird. Danach können die bis zum Gesellschafterwechsel angefallenen Gewinne mit Verlusten früherer Jahre verrechnet werden, soweit sie nicht mit etwaigen Verlusten aus der Zeit nach dem Gesellschafterwechsel bereits verrechenbar sind.

Karlsruher Richter stehen unter Druck

Mit Spannung kann nun erwartet werden, wie die Karlsruher Richter des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) mit der Entscheidung des 2. Senats des Finanzgerichts Hamburg umgehen werden. Denn allein das BVerfG darf eine Vorschrift wegen Verstoßes gegen das Grundgesetz für verfassungswidrig erklären. Sollte es sich der Meinung des Finanzgerichts Hamburg anschließen, ist gar nicht auszudenken, wie viele Steuerrückerstattungen es hageln wird. Dabei ist jetzt schon eines klar: Die Finanzverwaltung wird auf die Zähne beißen müssen und für Unternehmens- bzw. Anteilsveräußerer und -erwerber werden sich durch die Aushebelung des § 8c KStG neue Chancen eröffnen. Das wären mal gute Nachrichten und irgendwie auch ein Zeichen dafür, dass es sie doch noch gibt: die Gerechtigkeit.

 

Quelle

Finanzgericht Hamburg, Urteil 4.4.2011, Az.: 2 K 33/10
Haufe Online-Redaktion

Möchten Sie regelmäßig über neue Artikel informiert werden? Dann registrieren Sie sich für unseren Newsletter.

Newsletter abonnieren

Diese Internetseite verwendet Cookies, um die Nutzererfahrung zu verbessern und den Benutzern bestimmte Dienste und Funktionen bereitzustellen.
Mehr Informationen finden sie unter Datenschutz. Ich stimme zu