BGH zur Insolvenzfestigkeit güterrechtlicher Verträge

Der Gundesgerichtshof hat am 01.07.2010 (Link) zur Insolvenzanfechtung nach § 133 Abs. 2 Satz 1 Insolvenzordnung (InsO) entschieden.

Leitsatz

Auch im Zusammenhang mit güterrechtlichen Verträgen, die der Schuldner mit einer nahe stehenden Person nicht früher als zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag schließt, werden sein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz und die Kenntnis des anderen Teils hiervon widerleglich vermutet.

Sachverhalt

Der Insolvenzschuldner und seine Ehefrau schlossen am 5.1.2004 einen notariellen Vertrag, in welchem sie erklärten, dass seit 2.1.2004 getrennt lebten und sich einvernehmlich scheiden lassen wollten. Sie vereinbarten die Gütertrennung und nahmen einen vorgezogenen Zugewinnausgleich vor, im Rahmen dessen der Schuldner an seine Ehefrau eine Geldzahlung in Höhe von 0,15 Mio. € leistete und ihr weitere Vermögenswerte von ca. 1,5 Mio. € übertrug. Der Berechnung des Zugewinnausgleiches lag ein Vermögensverzeichnis seines Steuerberaters zugrunde.

Zu diesem Zeitpunkt war aufgrund wenige Monate zuvor abgeschlossener 5 Darlehensverträge absehbar, dass der Schuldner zukünftig nicht in der Lage sein würde, alle seine fälligen Verbindlichkeiten zu erfüllen. Am 26.07.2004 stellte der Schuldner dann einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen. Der Insolvenzverwalter forderte nunmehr von der Ehefrau die Rückgewähr der übertragenen Vermögensgegenstände.

Entscheidung

Die Entscheidung des BGH ist in mehrfacher Hinsicht interessant:

Zum einen bestätigt der BGH wie auch das vorinstanzliche OLG, dass es sich bei der Vornahme des vorzeitigen Zugewinnausgleiches um ein entgeltliches Rechtsgeschäft zwischen den Ehegatten und nicht um eine Schenkung handelt. Angesichts der Ausgleichszahlung von ca. 10 % der angefochtenen Vermögensverschiebung erscheint dies bemerkenswert. Ein unentgeltliches Geschäft hätte ohne weitere Voraussetzungen gemäß § 134 Abs. 1 InsO angefochten werden, wenn es in den letzten vier Jahren vor der Insolvenzantragstellung vorgenommen wurde.

Zum anderen stellt der BGH fest, dass unter den Vertragsbegriff des Insolvenzanfechtungsrechtes nicht nur schuldrechtliche, sondern grundsätzlich auch güterrechtliche Verträge fallen. Scheinbar unterscheidet der BGH zwischen der Gütertrennung und der Ausführungsvereinbarung hinsichtlich des vorgezogenen Zugewinnausgleiches nach §§ 1385, 1386 BGB. Allein die Ausführungsvereinbarung und die hiermit im Zusammenhang stehende Übertragung der Vermögensgegenstände seien im Sinne des § 133 Abs. 2 InsO anfechtungsrechtlich besonders verdächtig. Hier haben die Interessen der Gesamtgläubigerschaft und damit die Interessen des Gemeinwohls Vorrang vor dem verfassungsrechtlichen Schutz, den die die Ehe nach Art. 6 Grundgesetz (GG) ansonsten genießt.

Des Weiteren äußert sich der BGH zur Beweislast hinsichtlich des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes des Schuldners und der Kenntnis des anderen Teils hiervon. Eine Insolvenzanfechtung konnte vorliegend nur erfolgen, wenn der Ehemann als künftiger Insolvenzschulder zumindest in Kauf nahm, dass er durch die Vermögensübertragung seine übrigen Gläubiger benachteiligt, da sein Vermögen nicht ausreicht, um alle Verbindlichkeiten zu erfüllen. Zusätzlich musste die Ehefrau Kenntnis von der drohenden Gläubigerbenachteiligung haben. Die Kenntnis der nahe stehenden Person wird gemäß § 130 Abs. 3 InsO wegen vermutet; die Vermutung kann aber widerlegt werden. Die Ehefrau wies daraufhin, dass sie sich auf ein Vermögensverzeichnis des Steuerberaters des Schuldners verlassen habe. Hieraus war nicht ersichtlich, dass sich der Schuldner in einer ungünstigen Vermögens- oder Liquiditätslage befand. Die Vermögensaufstellung war in dem Prozess zwar nicht unbeachtlich. Sie eignete sicht jedoch nicht zur Widerlegung des Vorsatzes, weil sie letztlich vom Schuldner selbst stammte. Zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes reicht die eigene Einschätzung, man sei hinreichend liquide, nicht aus. Die Vermutung der Kenntnis könne durch die nahe stehende Person auch nicht durch die Behauptung widerlegt werden, der Schuldner habe die Wahrheit über seine finanziellen Verhältnisse nicht mitgeteilt. Die „vertragliche Regelung eines vorweggenommenen Zugewinnausgleichs sei eine extrem seltene Vertragsgestaltung .., die regelmäßig nur vor dem Hintergrund drohender Vermögensverluste des Ausgleichspflichtigen erklärlich sei, und dass die Beklagte (Ehefrau) auch nur an solchen Vermögensgegenständen Interesse bekundet habe, die nicht mit Krediten belastet gewesen seien.“

Die Ehefrau wurde somit zur Rückgewähr der empfangenen Vermögenswerte verurteilt.

Anmerkung

Der vorgezogene Zugewinnausgleich ist keine Schenkung und damit nicht innerhalb von vier Jahren vor dem Insolvenzantrag ohne weiter Voraussetzung anfechtbar. Damit ist der vorgezogene Zugewinnausgleich zwar nicht jeglicher Anfechtung entzogen. Vielmehr bestehen für einen Zeitraum von zwei Jahren erhöhte Anfechtungsrisiken, die durch eine sorgfältige Prüfung und rechtssichere Gestaltung vermieden werden sollten. Grundlage eines vorweggenommenen Zugewinnausgleiches sollte die eigene (!) Einschätzung der nahe stehenden Person hinsichtlich der Vermögens- und Liquiditätslage des Schuldners sein. Empfehlenswert wäre die Einholung eines Gutachtens eines eigenen Steuerberaters, Wirtschaftsprüfers oder sonstigen Sachverständigen.

Doreen Henske
jur. ass.

 

Quelle

Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 1. Juli 2010 - IX ZR 58/09

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