Verfassungswidrig oder nicht? Der Mietendeckel in Berlin wird kommen

Das bestimmende Thema für Wohnraumvermieter in Berlin ist derzeit der Mietendeckel. Wir haben deshalb Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht Erik Reinke gebeten, den aktuellen Stand sowie das Wissenswerteste zusammenzufassen.

Herr Rechtsanwalt Reinke empfiehlt zunächst bis das Gesetz in Kraft getreten ist, gilt: Ruhe bewahren und wirtschaften wie immer. Insbesondere sollte derzeit niemand sich dem Drang hingegeben bereits halb fertig Zusatzvereinbarungen mit dem Mieter zu treffen. Dies macht erst Sinn, wenn der Gesetzestext bekannt ist. Mit Ausnahme der Regelungen zur Mieterhöhung wird es auch keine Rückwirkung geben. Aktuell neu abgeschlossene Mietverträge bleiben mit den entsprechenden Regelungen wirksam. Eventuell können lediglich Mieterhöhungen nicht gefordert werden. Darum das Wichtigste zuerst. Behalten Sie das Inkrafttreten des Mietendeckels im Auge und verhalten Sie sich, soweit es geht, gesetzeskonform, insbesondere soweit Verstöße mit Bußgeld bedroht sind. Grundsätzlich gilt, verfassungswidrig oder nicht, die Härte des Gesetzes spiegeln hauptsächlich die Bußgeldvorschriften wieder. Hier droht pro Verstoß ein Bußgeld von 500.000 €.

Bußgeldvorschriften

Deshalb wollen wir uns zunächst an den Bußgeldvorschriften im aktuellen Gesetzesentwurf zum Mietendeckel orientieren: Im aktuellen Gesetzesentwurf (http://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/18/DruckSachen/d18-2347.pdf) heißt es in § 11:

„(1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig

  1. seiner Pflicht zur Mitwirkung nach § 2 Absatz 2 Satz 4 nicht, nicht richtig oder nicht vollständig nachkommt,
  2. seiner Pflicht zur Mitteilung nach § 3 Absatz 1 Satz 5 nicht, nicht richtig oder nicht vollständig nachkommt,
  3. die Auskunft nach § 6 Absatz 4 nicht, nicht richtig oder nicht vollständig erteilt oder
  4. ohne erforderliche Genehmigung nach § 8 oder ohne erforderliche Anzeige nach § 7 Absatz 1 eine höhere als die nach den §§ 3 bis 7 zulässige Miete fordert.

(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu 500.000 Euro geahndet werden.“

Es handelt sich hierbei übersetzt um folgende Verstöße:

Zu 1: Keine Auskunftserteilung auf Verlangen der zuständigen Stelle
zu 2:  Keine Auskunftserteilung über Stichtagsmietzins (vor Abschluß des MV und jederzeit auf Verlangen des Mieters/ der Behörde
Zu 3: Keine, falsche oder unvollständige Auskunft über Berechnung der Obergrenze (vor Abschluss bzw. innerhalb von 2 Monaten nach Inkrafttreten im Mietverhältnis)
Zu 4: Forderung unzulässig hoher Miete

Die erste Variante ist dabei erst relevant, wenn sich die zuständige Behörde bei Ihnen meldet.

Die zweite Variante ist bei jeder Neuvermietung und auf Verlangen der Behörde / des Mieters relevant. Es ist insofern sensibilisiert vorzugehen. Da der Verstoß nur die Auskunftserteilung betrifft, sollte die Auskunft zur Vermeidung von Bußgeldern erteilt werden. Dies bereits im Rahmen einer Risikoanalyse.

Gleiches gilt für Variante 3. Hier ist im besonderen Maße hervorzuheben, das die Auskunftserteilung in jedem Mietverhältnis gegenüber jedem Mieter unabhängig von seiner Miete in den ersten 2 Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes und jederzeit bei der Neuvermietung erfolgen muss! Es droht dabei ein hohes Bußgeld für jeden Verstoß, wenn Vermieter dies übersehen oder unterlassen.

Welche Auskünfte fordert Variante 3:

Mindestens folgende Auskünfte müssen erteilt werden, wobei wegen der Bedrohung bei falschen oder unvollständigen Auskünften besondere Vorsicht erfolgen sollte:

  • Baualtersklasse
  • Ausstattung (Definition Sammelheizung / Bad)
  • Berufung auf Merkmal „modern“
  • Mietentabelle und die dortige Einordnung

Achtung da auch jede falsche und unvollständige Auskunft bußgeldbewährt ist, sollte besondere Vorsicht bei der Auskunft erfolgen. Es reicht hier bereits eine fahrlässig falsche Auskunft gegenüber dem Mieter.

Dies kann aber auch eine Möglichkeit sein den aktuellen Bestand kurzfristig zu besichtigen und ggf. bei Weigerung des Mieters nach Abmahnung und Nichtgewährung des Zutritts das Mietverhältnis zu kündigen. Ob der Gesetzgeber dieses Risiko für Mieter gesehen hat, ist zu bezweifeln.

Variante 4 betrifft ausschließlich das Fordern einer nicht erlaubten Miete nach den Regelungen des Mietendeckels. Dies betrifft damit Mieterhöhungen nach dem 18. Juni 2019 und etwaige Neu-/Wiedervermietungen. Ausdrücklich derzeit nicht umfasst ist das Vereinbaren entsprechender Mieten, sodass hier bis zur gesetzlichen Überprüfung der Verfassungswidrigkeit zumindest die Auswirkungen nach der Aufhebung ggf. durch clevere Vertragsgestaltung umgangen werden kann.

Vorsichtsmaßnahmen

Beachten Sie jedoch, dass aus Vorsichtsgründen keine Lastschrifteinzüge mehr bei den Mietern erfolgen sollten. Gleiches gilt für Mahnungen, Kündigungen und Räumungsverfahren in Bezug auf höhere Mieten. Zahlt der Mieter freiwillig, ist dies seine Verantwortung. Ein Fordern der Miete sollte unterbleiben und erst nach Entscheidung über die Verfassungsgemäßheit des Mietendeckels erfolgen. Für Mieten gilt hier die regelmäßige Verjährung von 3 Jahren zum Schluss des Jahres nach der monatlichen Fälligkeit. Betroffen sind hier neben den Vermietern auch die Hausverwalter und etwaige Inkassodienstleister / Rechtsanwälte. Allen droht ein Bußgeld.

Intensivseminar in Vorbereitung

Wir werden zu diesem Thema kurz vor Inkrafttreten ein Intensivseminar veranstalten. Derzeit ist dazu ein Termin am 2. März 2020 vorgesehen. Dies hängt aber vom weiteren Gesetzgebungsverfahren ab.

Verfassungswidrig?

Ob das Gesetz verfassungswidrig ist oder nicht, müssen die Gerichte entscheiden. Es sprechen bereits viele formelle und materielle Gründe für Verstoße gegen die Verfassung, sei es die fehlende Kompetenz des Landes Berlin oder die unverhältnismäßigen Eingriffe ins Eigentumsrecht sowie die Ungleichbehandlung der Vermieter untereinander. Rechtssicherheit wird jedoch erst eine höchstrichterliche Entscheidung bringen. Diese kann 1 bis 2 Jahre dauern. In dieser Zeit sollte möglichst clever um die Bußgeldvorschriften herumgeschifft werden. Die Bußgelde und Bußgeldbescheide werden dem Gesetz zunächst faktische Wirkung verschaffen, sodass hier Vorsicht geboten ist.

Weitergehende Informationen und Aktuelles

Für eine Darstellungen der Regelungen zum Mietendeckel im Detail sowie aktuellen Entwicklungen besuchen Sie gerne die Webseite von Rechtsanwalt Reinke unter www.rechtsanwalt.immobilien/mietrecht/vermieter/mietendeckel/.

Mietendeckel auch bei Gewerberaum? 

Beachten Sie auch, dass nicht nur Wohnraummieter bei Erfolg der Regelung betroffen sein werden. Derzeit gibt es in verschiedenen Parteien, insbesondere der Linkspartei auch immer konkreter werdende Gespräche zum Mietendeckel für Gewerberaum einschließlich Wiederanbietungspflicht an den Vormieter.

Rückstellungen?

Ob und in welchem Umfang eine Bilanzierung der Rückstellungen für bilanzierende Wohnungsunternehmen möglich ist, bleibt abzuwarten.


Erik Reinke
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht
Oranienburger Straße 16
D-10178 Berlin

Telefon: +49 30 200 759 0
Telefax: +49 30 200 759 29
Mail: reinke@hkm-law.de
www.hkm-law.de
www.rechtsanwalt.immobilien

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