Rückwirkende Verlängerung der Spekulationsfrist bei Grundstücksveräußerungsgeschäften teilweise verfassungswidrig

Die Verlängerung der Spekulationsfrist bei privaten Grundstücksveräußerungsgeschäften ist mit belastenden Folgen einer unechten Rückwirkung verbunden und teilweise verfassungswidrig (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 52 Abs. 39 Satz 1 EStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetztes 1999/2000/2002).

Sachverhalt

Bis Ende 1998 unterlagen Gewinne aus privaten Grundstücksveräußerungsgeschäften der Einkommensteuer, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung weniger als 2 Jahre betrug (sog. Spekulationsfrist). Durch das am 31.3.1999 verkündete Steuerentlastungsgesetz (StEntlG 1999/2000/2002) wurde diese Spekulationsfrist für Veräußerungen ab dem 1.1.1999 auf 10 Jahre verlängert. Die Beschwerdeführer veräußerten ihre Grundstücke nach Ablauf der alten, aber innerhalb der neuen Veräußerungsfrist im Jahr 1999. Die Kaufverträge wurden teilweise vor Verkündung des neuen Rechts, teilweise erst danach geschlossen. Das Finanzamt wandte in allen Fällen die verlängerte Spekulationsfrist an. Das Finanzgericht legte die Klagen dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vor.

Entscheidung

Die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Normenkontrollverfahren hatten Erfolg. Die Anwendung der verlängerten Spekulationsfrist verstößt gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes und ist nichtig, soweit ein im Zeitpunkt der Verkündung bereits eingetretener Wertzuwachs der Besteuerung unterworfen wird, der nach der zuvor geltenden Rechtslage bereits steuerfrei realisiert worden ist oder zumindest steuerfrei hätte realisiert werden können, weil die alte Spekulationsfrist bereits abgelaufen war. Durch die rückwirkende Verlängerung der Spekulationsfrist wird diese konkret verfestigte Vermögensposition nachträglich entwertet. Zugleich liegt ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz vor, denn die Wertsteigerungen blieben steuerfrei, wenn das Grundstück noch im Jahr 1998 veräußert wurde. Das Ziel, die Rechtslage zu verbessern und die Bemessungsgrundlage zur Gegenfinanzierung zu verbreitern, vermögen diese Eingriffe nicht zu legitimieren. Die Verlängerung der Veräußerungsfrist auf 10 Jahre ist als solche verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es verstößt ferner nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, dass Gewinne aus Grundstücksveräußerungen nicht dem ermäßigten Tarif nach § 34 EStG unterliegen.

Konsequenz

Aufgrund des Zeitablaufs dürfte diese Entscheidung nur noch Relevanz für private Veräußerungsgeschäfte haben, wenn die Einkommensteuerbescheide noch abänderbar sind. Unter Hinweis auf diese Entscheidung kann eine Änderung erwirkt werden.

 

Quelle

BVerfG Beschluss vom 07.07.2010 - 2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05

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