Umsatzsteuer - Ist-Besteuerung steht für viele Freiberufler vor dem Aus

Kernaussage

Das Umsatzsteuergesetz unterscheidet zwischen der Ist- und der Sollversteuerung. Während bei der Sollversteuerung die Umsatzsteuer fällig ist, wenn die Leistung erbracht wurde, ist dies bei der Istbesteuerung erst der Fall, wenn der Kunde zahlt. Hierdurch bietet die Istbesteuerung deutliche Liquiditätsvorteile gegenüber der Sollbesteuerung.

Rechtslage

Zur Istbesteuerung können nach § 20 UStG derzeit Unternehmen optieren, - deren Gesamtumsatz im Vorjahr nicht mehr als 500.000 EUR betragen hat oder - die nicht nach § 148 AO verpflichtet sind, Bücher zu führen und Abschlüsse zu erstellen oder - soweit sie Umsätze aus einer Tätigkeit als Angehörige eines freien Berufes i. S. d. § 18 Abs. 1 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausführen.

Sachverhalt und Entscheidung

Streitig war, ob eine Steuerberatungs-GmbH zur Istbesteuerung optieren kann. Das Finanzamt hatte dies nicht zugelassen, da die GmbH kraft Rechtsform gewerbliche und nicht freiberufliche Einkünfte erzielt. Schließlich entschied der BFH, dass die Klägerin ihre Umsätze nicht nach vereinnahmten Entgelten besteuern kann. Umsätze aus einer Tätigkeit als Angehöriger eines freien Berufs liegen nicht vor, wenn der Unternehmer hinsichtlich dieser Umsätze buchführungspflichtig ist. Dies traf auf die Klägerin als GmbH zu. Entgegen dem Wortlaut des § 20 UStG können nach Ansicht des BFH also freiberuflich tätige Unternehmen nur zur Istversteuerung optieren, wenn sie weder zur Buchführung verpflichtet sind, noch freiwillig Bücher führen und ihren Gewinn durch Bestandsvergleich ermitteln. Die Rechtsform ist insoweit unerheblich.

Konsequenz

Das Urteil hat 2 Seiten, eine äußerst negative für Freiberufler und ein positive für alle Unternehmen. Freiberuflern hatte der BFH die Anwendung der Istbesteuerung bisher untersagt, wenn diese sich in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft organisiert hatten. Nun werden alle Freiberufler, die freiwillig Bücher führen, ihre Umsätze der Sollbesteuerung unterwerfen müssen, sofern sie die genannte Umsatzgrenze überschreiten. Sie werden daher zukünftig die Umsatzsteuer vorfinanzieren müssen. Positiv ist, dass der BFH nochmals ausdrücklich darauf hinweist, dass die Sollbesteuerung nur dann keine unzulässige Benachteiligung gegenüber der Istversteuerung darstellt, wenn an eine Korrektur der Umsatzsteuer keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Er verweist insofern auf seine eigene Rechtsprechung, wonach Forderungen umsatzsteuerlich schon ausgebucht werden können, wenn diese von der Gegenseite bestritten werden. Die Umsatzsteuer kann daher regelmäßig wesentlich früher korrigiert werden, als handelsrechtlich bzw. ertragsteuerlich ein Forderungsausfall zu erfassen ist. Dies wird leider in der Praxis viel zu oft übersehen, obwohl die entsprechende BFH-Rechtsprechung bereits von der Finanzverwaltung akzeptiert wird.

Der BFH zieht zur Begründung seiner Auffassung die historische Entwicklung der Vorschrift heran, u. a. die Reichsabgabenordnung (RAO). Er kommt so zu dem Ergebnis, dass § 20 UStG entsprechend dem Urteil auszulegen ist. Ob dies zulässig ist, dürfte diskutabel sein, da der Wortlaut der Vorschrift eindeutig ist und die vorgenommene Differenzierung in § 20 Abs. 1 Nr. 1-3 UStG keinen Sinn ergibt, wenn die Auffassung des BFH zugrunde gelegt wird. Der Deutsche Steuerberaterverband (DStV) fordert nun eine Klarstellung seitens des Gesetzgebers, um eine Umsetzung des Urteils zu verhindern

 

Quelle

BFH, Urteil vom 22.7.2010, V R 4/09, DStR 2010 S. 2349. DStV,
Pressemitteilung v. 2.12.2010, www.dstv.de.

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